Manchmal scheint der Boden unter mir zu schwanken, ich fühle den Wellengang – und dass obwohl ich am Festland bin. Jedes Mal, wenn mich diese Täuschung „erwischt“ fliegen meine Gedanken zurück auf die „Strijd“ – dem holländischen Segelschiff, mit dem ich eine Woche auf dem Ijsselmeer unterwegs war.
Wer schon einmal mehrere Tage auf einem Boot verbracht hat, kennt diese kleinen Streiche, die einem das Gehirn noch mehrere Tage zurück am Festland spielt. Bei jedem Schwanken entdecke ich ein breites Lächeln auf meinen Lippen. Ich genieße es, die Wellen zu spüren und träume mich kurz zurück auf die Gemeinde-Segelfreizeit. Mit 21 weiteren Mitgliedern und Freunden der Gemeinde durfte ich die letzte Sommerferienwoche zu Wasser verbringen. Mit zwei Kleinbussen und einem PKW sind wir am 01. September 2019 nach dem Sonntagsgottesdienst in der Spitalkirche gestartet. Über das Rheinland geht es nach Holland. Erster Zwischenstopp: Utrecht. Für uns Alt-Katholiken ist diese niederländische Kleinstadt ein besonderer Ort. Hier wurde 1889 die Kirchengemeinschaft altkatholischer Kirchen gegründet (Utrechter Union). Der Ortspfarrer führt uns durch den alt-katholischen Dom und nimmt uns etwas mit in die Geschichte, als alt-katholische Kirche im verborgenen gelebt wurde. Gemeinsam entdecken wir die „Versteckkirche“ und Gemeinsamkeiten im Gemeindeleben. Nach einem kleinen Abendimbiss geht es weiter nach Enkhuizen. Hier liegt der ehemalige Lastensegler „Strijd“ im Hafen. Die kleine Crew wartet schon auf uns.
Schnell werden die Autos entladen, die Kajüten bezogen und der Skipper Claasjan und die junge Matrosin Luisa begrüßt. Luisa hat sich besonders auf unsere Gruppe gefreut. In Freiburg geboren und teilweise in Baden-Baden aufgewachsen, lebt sie nun in den Niederlanden und begleitet Gruppen bei ihren Segelabenteuern. Sofort war ein gewisser Draht zwischen den beiden Seebären und unserer Gruppe spürbar.
Am nächsten Tag war es dann so weit. Luisa erklärt das Schiff, die wichtigsten nautischen Begriffe und Verhaltensregeln und schon geht es los. Noch führt uns der Motor aus dem Hafen. Doch mit vereinten Kräften werden die Segel gehisst und wir fliegen über das Wasser des Ijsselmeers. Die kommenden Tage gleichen sich wohltuend. Mit einem Morgenimpuls starten wir in den Tag, beim Frühstück stärken wir uns für den Tag und dann geht es gemeinsam raus an Deck: Pfänder einholen, Anker lichten, Segel setzen. Über das Wasser gleiten, durch Schleusen fahren, neue kleine Hafenorte entdecken. Und dazwischen lesen, diskutieren, an Deck träumen, im Klüvernetz „abhängen“. Das Besondere für mich: aus der bunten Gruppe aus Familien, Paaren, Einzelreisenden – 12 Erwachsene und 10 Jugendlichen wächst eine Crew. Gemeinsam haben wir eine gute Zeit. Am Ende der Reise träumen viele davon wiederzukommen und weiter zu segeln.
Ingmar Vocke-Neumann
FOTOS: Felix Bauer und Felix Thörmer