Chorgestühl – Untere Wange der linken vorderen Sedilien

Unten, in vertieftem Feld: Ein bärtiger Bauer in Kappe und zerrissenem Rock. Er schiebt auf einem dreirädrigen Schubkarren seine Frau, die einen Baumast schultert und in der Linken eine Feldflasche hebt. (Anmerkung: Bekannt ist, daß Kern, Erschaffer des Chorgestühls, in Pforzheim ein Gartengrundstück am „Goppinger, hinder Bretzinger vorstat am graben“ und wohl zusätzlich einen Weingarten besaß. siehe: Inschriftenkatalog Stadt Baden-Baden und Landkreis Rastatt)


Wie kommt eine solche Darstellung in ein Chorgestühl? Dazu muss man die Zeit kennen, in der das Gestühl geschaffen worden ist. Der derbe Naturalismus dieser Szene, die profane Darstellung zeigt uns den Stolz und das Selbstbewusstsein der „neuen Menschen“, wie ihn das späte / auslaufende Mittelalter durch seine ganze soziologische Struktur bedingt hat. Erste Befreiungsversuche aus sehr verkrusteten Normen zeigen sich damit.

In unmittelbarer Nähe sehen wir eine fast launische Mischung aus biblischen Schilderungen, Heiligenlegenden und der volkstümlichen Phantasie.
Zweihundert Jahre vorher wäre das unmöglich gewesen.                                           TD

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