Von den 33 Grabplatten in der Spitalkirche sind 23 Menschen zuzuordnen, die im 16. Jahrhundert gestorben sind. Von diesen 23 sind 9 verstorben zwischen 1511 und 1520.
Zu dieser Zeit, also im frühen 16. Jahrhundert, wurden in Deutschland die Ideen der Renaissance aufgegriffen. (Die Stilentwicklung hatte in Italien da schon die Phase der Hochrenaissance erreicht.)
In diese Zeit fallen viele wichtige Ereignisse, die das Leben in Europa prägen werden: zum Beispiel die Erfindung des Buchdrucks, die Eroberung Amerikas durch Kolumbus und der Bau des Petersdoms in Rom. Auch der Maler und Bildhauer Leonardo da Vinci, der englische Dichter William Shakespeare und die mächtige Familie Medici lebten im Zeitalter der Renaissance.
Einer der wichtigsten Faktoren der Renaissance ist der Geist der Konkurrenz, des Wettbewerbs. An ihm nehmen die Herrscher teil, Familien, Händler, aber auch die Stadtstaaten, die ihre Macht nach außen repräsentieren wollen.
So fördern Wettbewerb, Handel und Kriege einen neuen sozialen Typus: den freien Städter, den Bürger. Plötzlich können Menschen gesellschaftlich aufsteigen, die nicht von Geburt dem Adel angehören oder in den kirchlichen Institutionen Karriere machen. Wer tüchtig und wem Erfolg beschieden ist, dem wird der Aufstieg zu den gesellschaftlich höheren Weihen nicht verwehrt.
Reichtum und Macht sind die neuen Adelsprädikate in jener Zeit. Doch der Adel bekommt zunehmend Konkurrenz. Eine Art Revolution vollzieht sich: der Aufstieg des Bürgertums.
Der Adel – besonders der Landadel – sieht sich in seiner Vormachtstellung bedroht. Er sucht nach Möglichkeiten, sich seiner Stellung zu erinnern und dadurch zu festigen.
Eine Möglichkeit der Erinnerung und Festigung waren Grabplatten für die Verstorbenen. Sie wurden als Zeichen der Macht und als Zeichen der Erinnerung gesehen. Durch Grablegungen in Kirchen und Kapellen erinnerten die Familien nicht nur an die Verstorbenen. Es wurde dadurch auch zur Nachahmung des Verstorbenen und dessen Ideale aufgerufen.
Auf diesem gesellschaftskritischen Hintergrund ist die „Anhäufung“ von Grabplatten im 16. Jahrhundert zu verstehen.
Neben den Grabplatten der adeligen Familien finden sich in der Spitalkirche auch 6 Grabplatten von bürgerlichen Familien. Das sind Handwerker, Besitzer von Badehäusern und Amtmänner. Auch hier meldet sich das aufkommende Bürgertum zu Wort.
- Zwölf der dreiunddreißig Verstorbenen (und deren Familien) waren in Amt und Würden des Badischen Hauses.
- Ein Pater und ein „Geistlicher Rat“ sind durch das Studium der Grabplatten zu finden.
- Die Grabplatte von Pater Albrecht (Nr. 28) ist die älteste: 1318
- Die Grabplatte von Susanne … Sperl (Nr. 6) ist die jüngste: 1767
Tom Dorner