“Heile, heile Segen …
Das Un-Heil ist da
Manchmal braucht es mehr als ein Taschentuch zum Tränentrocknen, und auch ein Pflaster oder Verbände, die sichtbare Wunden unsichtbar und damit “weg” machen, reichen nicht. Mancher Schaden und Schmerz ist größer, tiefer und lässt sich nicht “einfach so” wegtrösten, und es wird auch nach einer gewissen Zeit nicht wieder gut. Schon viele Kinder erleiden neben körperlicher Beschädigung innerliche Verwundungen, und jeder Mensch erfährt im Lauf seines Lebens zunehmend nicht nur sein eigenes Nicht-heil-Sein, sondern das vielfältige Un-Heil, das ihn umgibt und das Leben an sich bedroht.
So sehr wir uns dagegen auflehnen mögen: Begrenztheit und Verletzlichkeit sind Wesensmerkmale unseres Menschseins. Auch wenn wir gerade nicht an bestimmten Krankheiten leiden und keine sichtbaren Schäden haben – hinter vielen unserer oft mühsam errichteten Fassaden verbergen sich Risse, Ecken und Kanten, Verkrümmungen, Brüche, Mängel, notdürftig zusammengesetzte Trümmer oder offene Bruchstellen, die unser Leben mitprägen und beeinflussen. Sie können sich auf vielerlei Weise äußern: in Verhärtungen, Misstrauen und Ängsten, in Neid, Eifersucht, Macht- und Habgier aus Sorge, benachteiligt oder nicht genügend anerkannt zu werden, oder gar in schweren seelischen Störungen.
Wir sind nicht heil, und die Welt, in der wir leben, ist nicht heil. Das Heil als Zustand der Ganzheit, der Harmonie und Ausgeglichenheit suchen wir auf Erden vergebens. Doch Zeit unseres Lebens sehnen wir uns im Innersten bewusst oder unbewusst nach diesem ganzheitlichen Sein, nach Unversehrtheit und Unverfälschtheit, nach einem Dasein ohne Brüche, ohne innere und äußere Mängel und Schäden. Es ist wohl letztlich die Sehnsucht nach dem paradiesischen Zustand und Heiligkeit – der Seinzustand, in der nach biblischer Vorstellung Gott die Erde und was auf ihr lebt schuf und für gut befand. …
Auch wenn das vollkommene Heil auf Erden unerreichbar ist: Indem wir einander in unseren Dunkelzeiten zu Engeln und zum Segen werden, indem wir tröstend und stärkend füreinander da sind, können wir es doch ein Stück weit erfahrbar machen und viel heilvolles Leben ermöglichen. Frieden zu schließen mit dem, was und geprägt hat, und mit den Vernarbungen, die wir davongetragen haben, lässt uns heilen und hilft uns dabei, Heilende zu werden. … Einander zum Segen werden”
Quelle: Christenheute – 65. Jahrgang – April 2021 / Herausgeber: Katholisches Bistum der Alt-Katholiken in Deutschland / Seite 3 ff (Jutta Respondek)
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